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Zu Gast…

Gestern waren wir eingeladen! Bei einem Jungen aus Bosses Kindergartengruppe! Und dessen Familie! Einer arabischen Familie! Ich war nervös!

Ich mein, natürlich waren wir auch vorher schon bei anderen Familien zu Gast, aber nun eben das erste Mal bei „echten“ Einheimischen! Und so westlich es hier auch alles zugehen mag, so möchte man sich grade im Hause einer arabischen, muslimisch lebenden Familie einigermaßen respektvoll verhalten! Zum Glück hatten wir die Eltern schon bei anderer Gelegenheit einmal kennengelernt und sie machten einen sehr offenen, lockeren Eindruck! Sonst hätten sie ihren Sohn wohl auch nicht in einem deutschen Kindergarten angemeldet, in dem die Erzieher und der größte Teil der Elternschaft sehr westlich und im Vergleich freizügig gekleidet daherkommt! Trotzdem..
Grade diese Lockerheit verunsichert mich ein wenig und macht es nun schwer, einzuschätzen, welche „Regeln“ jetzt wohl erwartet und eingehalten werden und welche nicht!
Beide tragen z.B. traditionelle Kleidung, die Mutter, Haya, also die schwarze Abaja, der Vater, Mohammed, die meist weiße Dischdascha oder Kanodra. Beide haben aber auch bei dem letzten Zusammentreffen bei einem anderen Kindergeburtstag allen die Hand gegeben, obwohl laut Reiseführer zumindest das Handreichen zwischen Männern und Frauen eher unüblich ist..
Klar gibt es immer Ausnahmen und grade das Leben hier zeigt, dass vieles nicht so streng genommen wird, aber woher soll ich nun wissen, für welche Dinge das gilt??

Naja, ich zog lange Sachen an und beschloss ansonsten alles auf mich zukommen zu lassen. Im Zweifelsfall nicht den Mann anlächeln, könnte missverstanden werden, Schuhe ausziehen beim Betreten des Hauses und auf keinen Fall die linke Hand benutzen, um z.B. zu essen oder ähnliches, denn diese ist ja die „unreine“ Hand! (Erwähnte ich, dass ich zufälligerweise Linkshänder bin??)

Wie sich im Nachhinein rausstellte, waren meine „Sorgen“ unbegründet! Die beiden waren wirklich sehr, sehr gastfreundlich und herzlich!
Mohammed begrüßte uns – auch mich mit Handschlag – und zeigte uns Haus und Hof! Dieser, wie so oft hier versteckt hinter der das Haus umgebenden Mauer, war verhältnismäßig grün!
Es gab viel Rasen und strauchartige Gewächse, ein Zitronenbäumchen, eine Bananenstaude, eine Voliere und ein Hühnergehege für das eigene Gefieder und noch so einiges mehr. Beim Gang ins Haus selber dachte ich dann, ich sei in einem Kindergarten gelandet! Zwar haben die beiden „nur“ ihren Sohn Abboudi, jedoch waren im großen Spieleparadies, und eine andere Bezeichnung würde hier nicht passen, diverse Fahrzeuge wie Fahrräder, zwei andere große dreiradartige Gefährte, kleine blinkende Babylaufwagen-Entertainment-Klingeling-Schiebe-Dinger, eine Rutsche samt kleiner Schaukel, diverse Kisten mit Spielzeug, große Kuscheltiere, eine Holzeisenbahn, eine Art Carrerabahn und so weiter und so weiter..und über allem prankte an der Wand ein sehr großer Fernseher! Angeschaltet selbstverständlich! Kinderprogramm!
Ausserdem gab es eine den Raum umfassende Sitzgelegenheit, auf der gefühlte 20 Leute Platz gehabt hätten..Vom Spielbereich, dessen einer Teil nebenbei auch Flur war, gingen dann die Schlafräume ab, die Küche und ausserdem zwei weitere Zimmer, die wiederum mit großen, gepolsterten Sitzbänken sowie auf dem Boden liegenden Polstern ausgestattet waren..das Ganze jeweils in farblich abgestimmten Stoffen vom Teppich bis hin zu den schweren Vorhängen..ausserdem natürlich wieder Flatscreens in jedem Zimmer. Die Wände überall wunderschön handbemalt von einem koreanischen Maler mit Bäumen, Blüten oder wahlweise einer Szene aus dem Film „Cars“! Sehr viel Grün ausserdem, denn Grün gibt Energie!
2 Wohnzimmer übrigens deshalb, weil bei großen Treffen Männer und Frauen getrennt voneinander beisammensitzen!
In unserer kleinen Runde jedoch blieben wir gemeinsam auf den Bodenpolstern in einem der Zimmer sitzen! Sogleich gab es arabischen Kaffee, dazu Datteln, Dattelmuffins und anderes Gebäck..alles in großen Mengen..

Die Kinder spielten währenddessen im Nebenraum..naja, Spielen war bei Ida und Bosse vielleicht nicht das richtige Wort, denn die beiden starrten wie gebannt auf den großen Bildschirm und ließen sich von „Thomas und seinen Freunden“ und „Shawn das Schaf“ fesseln – auf arabisch! Die beiden konnten sich immer nur lange genug losreißen, um sich vom nie leer werdenden, weil stets von einer der Maids mit Saft- und kleinen Kekspackungen nachgefüllten, Tablett zu bedienen!
Um Lotje musste ich mir auch keine Sorgen machen, weil entweder die Maid, wenn sie nicht grade neue Kekse für meine gefrässigen Kinder holte, sich um sie kümmerte oder aber Haya, wenn sie nicht grade neues Essen für die gefrässigen Erwachsenen brachte! Nur ab und zu gesellte ich mich zu den Kindern, wenn ich die „Männergespräche“ zwischen Danilo und Mohammed nicht „stören“ wollte und nach der ganzen Völlerei auch mal Bewegung brauchte!
(Zugegebenermaßen fand ich es ausserdem schwer, mich ins Gespräch einzubringen. Es war eindeutig, dass Mohammed das Wort bevorzugt an D. richtete, was hierzulande aber nicht falsch zu verstehen ist. Die Zurückhaltung Frauen gegenüber ist eher respektvoll gemeint. Haya hingegen war mir gegenüber sehr offen und gesprächig.)

Der Fluss an Nahrung an unserem Tisch schien nicht zu versiegen..zusätzlich zum oben genannten wurden noch zwei große Schüsseln gedeckt! Als wir nach einer knappen Stunde, wenn überhaupt, eigentlich noch satt waren, wurden aus diesen Schüsseln Nudeln gereicht, gewürzt mit Kardamon, Safran und Zucker..sehr lecker und definitiv mal was anderes, wenn der Bauch nicht nur schon so gefüllt und gezuckert gewesen wäre..
Und dann war da ja auch noch die zweite Schüssel! Diese enthielt eine Art Brei, zubereitet aus gemahlenem, mit Wasser gekochten Weizen und wieder Kardamon, Safran und Zucker..Wie auch schon die Nudeln konnte man dieses typische arabische Aroma herausschmecken. Dazu gab es nun gesüßten Minztee. Aber es wurde schwer, die eigene Schale zu leeren! Wir wollten nicht unhöflich erscheinen, aber solche Mengen sind wir nicht so wirklich gewohnt..Erheiternd fand ich stest den Blick zu D., wissend, dass seiner Vorliebe für süße Speisen durchaus Grenzen gesetzt sind..

Mittlerweile war es dann auch schon nach 19 Uhr und als spießige deutsche Familie mit Kindern im schulpflichtigen Alter und einem Baby, naja, einem großen aber doch immer noch Baby, das langsam ungemütlich und grantig wurde, begannen wir, auf die Uhr zu schielen und heimliche Blicke hinsichtlich eines guten Momentes für die Ankündigung unseres Aufbruchs auszutauschen. Von Abschiedsstimmung seitens unserer Gastgeber jedoch keine Spur! Mittlerweile sahen wir uns Urlaubsvideos aus Indien an (lustig fand ich, Mohammed dort plötzlich in ganz normalen Poloshirts zu sehen..) und es machte nicht den Anschein, als wollten unsere Gastgeber den Abend schon beenden..
Es tat uns wirklich leid, als wir schließlich, wieder eine halbe Stunde später, das Ende des Besuches einzuläuten versuchten..
Und richtig, damit wurde eigentlich noch gar nicht gerechnet! (Nicht umsonst sieht man arabische Familien oft noch recht spät mit Kind und Kegel durch die Gegend ziehen und nicht selten kommen die Eltern zu einer befreundeten Kinderärztin in die Praxis und wundern sich darüber, dass ihr Kind morgens immer so müde ist!)
Leicht überrascht sagten sie daher: „Aber wir haben doch erst Kaffee getrunken!“ Große Augen unsererseits! WAS?? Es sollte noch Abendbrot geben geben?? MEHR ESSEN?? Es erschien uns beiden unmöglich, noch etwas zu uns zu nehmen, ausserdem kippte die Stimmung der Kinder und es wurde wirklich Zeit, zu gehen..! Wir bleiben also „hart“ und schafften es, nochmal eine halbe Stunde später und mit Tüten voller Datteln und Muffins und brasilianischer Eiscreme beladen, ins Auto zu steigen und uns auf dem Rückweg zu machen! (Next time you bring your suitcase and stay here!!! sagte Mohammed zum Aschied noch.)

Fazit: Es war sehr nett und interessant! Aber ich bin immer noch aufgeregt!!! Denn D. hat die beiden nun selbstverständlich in unsere Wohnung eingeladen und ich zerbrech mir schon jetzt den Kopf, was ich alles auftischen muss, ohne hinterher als geizig dazustehen!!